Lebensversicherung: Streitpunkt Bewertungsreserve


Die Höhe der Bewertungsreserven sorgt in jüngster Zeit immer wieder für Irritationen zwischen den Versicherern und ihren Versicherungsnehmern.


Bewertungsreserven steigen

Die Bewertungsreserve kann die Rendite einer Lebensversicherung erheblich erhöhen. Dies gilt insbesondere für Lebensversicherungsverträge, die in einer Niedrigzinsphase wie der jetzigen auslaufen. Hintergrund ist, dass die Bewertungsreserven umso höher ausfallen, je niedriger der aktuelle Zins im Marktumfeld ist.


Grund: Aktuelle Niedrigzinsphase

Hierzu muss man sich vor Augen führen, was sich hinter der Bewertungsreserve verbirgt. Letztlich handelt es sich um eine Neubewertung von Kapitalanlagen, die die Versicherung vor etlichen Jahren für die Versicherungsnehmer „eingekauft“ hat. Handelt es sich beispielsweise um eine Anleihe, die einen damals üblichen Zinssatz aufweist, so steigt der Wert der Anleihe, wenn das allgemeine Zinsniveau in den Folgejahren absinkt. Mit anderen Worten: Die Anleihe ist aufgrund des hohen Zinssatzes am Markt begehrt, daher steigt ihr Verkaufspreis.

 

Die Bewertungsreserve ist im Prinzip der Gewinn, den die Versicherung erzielen könnte, wenn sie die Kapitalanlage zum Bewertungszeitpunkt am Markt verkauft.

 

Durch die Niedrigzinsphase der letzten Jahre sind die Bewertungsreserven der Versicherer extrem nach oben geschnellt. Hiervon könnten die Versicherungsnehmer grundsätzlich profitieren, wenn ihre Verträge auslaufen.


Gesetzesänderung 2014

Der Gesetzgeber hat sich jedoch entschlossen, die Bewertungsreserve neu zu regeln. Hierzu wurde das „Gesetz zur Absicherung stabiler und fairer Leistungen für Lebensversicherte (Lebensversicherungsvertrags-reformgesetz - LVRG)“ erlassen. Es ist am 06.08.2014 in Kraft getreten.


Die Bewertungsreserve kann danach nur noch an den Versicherungsnehmer ausgezahlt werden, nachdem die Versicherung ihren sog. Sicherungsbedarf ermittelt hat. Beim Sicherungsbedarf wird die Höhe der zukünftig fällig werdenden Garantiezusagen der Versicherung ermittelt. 

 

Sicherungsbedarf entscheidend

Es wird also ermittelt, welche Zusagen die Versicherung gegenüber den übrigen Versicherungsnehmern (bspw. Garantiezins) eingegangen ist. Der Sicherungsbedarf fällt dabei umso höher aus, je höher die eingegangenen Verpflichtungen sind.

 

Der Sicherungsbedarf fällt allerdings auch dann höher aus, wenn es das derzeitige Marktumfeld schwierig macht, die eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen.

 

Dies ist derzeit das größere Problem. Auch hier spielt wieder die Niedrigzinsphase eine entscheidende Rolle: Auch wenn man bei Neuverträgen den Garantiezins abgesenkt hat (ab 2015 nur noch 1,25 %), so dürfte es vielen Versicherern schwer fallen, diese Rendite zu erreichen.

 

Die Niedrigzinsphase sorgt daher einerseits für ein Ansteigen der Bewertungsreserven, wovon Versicherungsnehmer älterer Versicherungsverträge profitieren könnten. Durch die Gesetzesänderung wird jedoch auch der Sicherungsbedarf berücksichtigt, der durch die Niedrigzinsphase ansteigt.

 

Dies sorgt wiederum dafür, dass die Bewertungsreserven, die letztlich ausgezahlt werden, erheblich absinken dürften.


Studie der Bundesbank schlägt Alarm

Der Gesetzgeber hat sich zur Reform der Lebensversicherung genötigt gesehen, da laut Studie der Bundesbank eine große Zahl von Lebensversicherern eine lange Niedrigzinsphase nicht überlebt hätte. Die Studie untersuchte 85 Lebensversicherer für einen Zeitraum von 2013-2023. Dabei wurde auch ein „verschärftes Stressszenario“, d.h. eine Phase langanhaltender niedriger Zinsen, untersucht. In diesem Stressszenario hätte ein Drittel der betrachteten Lebensversicherer die Eigenkapitalanforderungen nicht mehr erfüllt. Diese Lebensversicherer machen einen Marktanteil von ca. 43 % aus.

 

Letztlich hat man durch das Lebensversicherungsreformgesetz versucht, einen Ausgleich innerhalb der Versichertengemeinschaft zu schaffen. Ob dieser gerecht ist, ist Ansichtssache.

 

Gleichzeitig wollte der Gesetzgeber verhindern, dass die Lebensversicherer in eine finanzielle Schieflage geraten. Dann wäre womöglich eine Rettung mit Steuergeld notwendig geworden.


Ausblick in die Zukunft

Versicherungsnehmer, deren Versicherungsverträge nur auslaufen, schauen daher "in die Röhre".


Hauptursache hierfür ist neben der Gesetzesänderung die Zinspolitik der EZB, die mit Niedrigzinsen versucht, die Finanzierungskosten für die Staatshaushalte der Eurozone künstlich niedrig zu halten. Letztlich handelt es sich um eine sparerfeindliche Politik, die auf dem Rücken der Sparer eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ermöglichen soll.


Leider ist schon absehbar, dass die derzeit niedrigen Finanzierungskosten von den betroffenen Staaten nicht genutzt werden, um die öffentlichen Haushalte in Ordnung zu bringen. Wie bei jeder Niedrigzinspolitik von Zentralbanken ist der Ausstieg aus dieser Politik äußerst schwierig. Denn jede noch so kleine Erhöhung des Zinssatzes kann zu erheblichen Verwerfungen führen: Staaten, deren schuldenfinanzierter Staatshaushalt auf Kante genäht wurde, bekommen dann massive Finanzierungsprobleme.


Es ist daher davon auszugehen, dass die Niedrigzinsphase noch für die nächsten Jahre anhalten wird.

Hieraus müssen Anleger Konsequenzen ziehen und entscheiden, ob das Produkt Lebensversicherung überhaupt noch Sinn macht.