Wann liegt eine Krankheit vor?

Die Frage erscheint erst einmal etwas widersinnig.

 

Dennoch kann sich genau diese Frage im Rahmen einer Krankenversicherung stellen.

Nicht immer ist ganz klar, was unter einer „Krankheit“ im Sinne der Versicherungsbedingungen zu verstehen ist.

 

Normalerweise geht der Versicherungsnehmer davon aus, dass erforderliche Heilbehandlungen von der Krankenversicherung erstattet werden. Insofern macht man sich in der Regel keine Gedanken darüber, was eine Krankheit im Versicherungsrecht heißt.

 

Krankheit im versicherungsrechtlichen Sinn

Die Frage kann jedoch zum Beispiel bei Einschränkungen/Gebrechen relevant werden.

 

Müssen diese, insbesondere bei fortgeschrittenem Alter, anstandslos akzeptiert werden? Oder besteht ein Anspruch auf Behandlung und Korrektur?

 

Diese Fragen sind leider nicht selten Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten.

 

Gericht muss entscheiden: Wann liegt eine Krankheit vor?

Vorliegend soll ein Urteil des OLG Stuttgart vom 28.03.2019, Az. 7 U 146/18, besprochen werden.

 

In dem Verfahren stritt der Kläger als Versicherungsnehmer mit seiner Privaten Krankenversicherung um den Ersatz von Behandlungskosten für zwei Operationen.

 

Die Operationen waren nötig geworden, um eine geringgradige Fehlsichtigkeit zu beheben. Die Therapie bestand in einem sogenannten refraktiven Linsenaustausch. Hier wird die körpereigene Linse durch eine neue Kunstlinse ersetzt.

 

Krankenversicherung verweigert Kostenerstattung

Die Krankenversicherung stellte sich auf den Standpunkt, dass eine Behandlung/Operation nicht notwendig sei, weil die Fehlsichtigkeit so geringfügig war. Dem Versicherungsnehmer sei zuzumuten, mit den damit einhergehenden Einschränkungen zu leben.

 

Das OLG Stuttgart sah dies anders. Es setzt sich ausführlich mit der Korrekturbedürftigkeit auseinander. Wichtig war dabei die Frage, ob das vorhandene Gebrechen zu korrigieren ist, um ein beschwerdefreies Leben zu ermöglichen.

 

Im vorliegenden Fall bejahte das OLG Stuttgart diese Frage. Es nahm dabei insbesondere Bezug auf die allgemeinen Einschränkungen, die mit der Fehlsichtigkeit (Hyperopie) einhergehen. Dabei waren insbesondere Einschränkungen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit für das Gericht von Belang; der Versicherungsnehmer war selbstständiger Schreiner.

 

Fehlsichtigkeit darf behandelt werden

Schlussendlich durfte die Fehlsichtigkeit behandelt werden und der Versicherungsnehmer kann hierfür Kostenerstattung verlangen.

 

Stellt sich die Krankenversicherung auf den Standpunkt, die beabsichtigte Behandlung oder Operation sei nicht erstattungsfähig, so lohnt sich eine genaue Analyse des Sachverhalts.

 

Entscheidungsfreiheit des Patienten schützen

Krankenversicherungen können sich einerseits darauf berufen, es liege keine Krankheit im Sinne der Versicherungsbedingungen vor. Vorstellbar ist auch, dass die medizinische Notwendigkeit angezweifelt wird.

 

In beiden Fällen muss man sich als Versicherungsnehmer gut überlegen, ob man dies einfach so hinnimmt. Immerhin greift die Versicherung damit faktisch in die Empfehlungen des Arztes ein und verhindert deren Ausführung. Ebenfalls beschnitten wird die Entscheidungsfreiheit des Versicherungsnehmers und Patienten, welche med. Behandlung er vornehmen lässt. Dieser Eingriff der Versicherung erfolgt letztlich aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus.