Finanzierungsberatung: Rechtliches Neuland für die Banken und ihre Kunden


Kann der Bankkunde, der einen Kreditvertrag bei einer Bank abschließt, eine  vollständige Beratung von der Bank verlangen?

 

Grundsätzlich kommt mit dem Abschluss eines Kreditvertrages nicht automatisch ein Beratungsvertrag zu Stande.

 

Oft hat der Bankkunde jedoch entsprechenden Beratungsbedarf vor dem Abschluss eines neuen Kreditvertrages.


Die bisherige Rechtsprechung hierzu

Dieser Beratungsbedarf dürfte sich in erster Linie auf die günstigste Finanzierungsart beziehen.

 

Von der Rechtsprechung wurde ein „Finanzierungsberatungsvertrag“ schon dann angenommen, wenn eine Kreditanfrage gestellt und anschließend mit der Bank verhandelt wird.

 

Siehe hierzu das OLG Stuttgart, Urteil vom 05.04.2000, Az.: 9 U 203/99:

 

„Mit der Kreditanfrage durch den Beklagten Ziff. 1 und den sich anschließenden Verhandlungen darüber, wie der Kredit am zinsgünstigsten beschafft werden könnte, war zwischen dem Beklagten Ziff. 1 und der Klägerin ein Finanzierungsberatungsvertrag zustandegekommen. Danach war die Klägerin verpflichtet, alle in Betracht kommenden Finanzierungsmodelle vorzustellen und dem Beklagten Ziff. 1 deren Vor- und Nachteile umfassend, richtig und verständlich zu erläutern sowie auf etwaige Bedenken hinzuweisen (OLG Celle VuR 99, 449 f, 450; WM 1993, 2082). Sie hatte dabei erschöpfend die Möglichkeiten der öffentlichen Förderung dem Beklagten Ziff. 1 mitzuteilen.“

 

Die Beratung kann sich auch auf die Möglichkeiten einer Umschuldung beziehen. Auch hier wird von der Rechtsprechung relativ schnell ein Beratungsvertrag bejaht.

 

Siehe hierzu das LG Hamburg, Urteil vom 06.07.2011, Az.: 322 O 400/09:

 

„Ein Beratungsvertrag oder zumindest eine Nebenpflicht zur Beratung über die Frage, ob die Kläger auch das LBS-Darlehen ablösen sollten, ist zwischen den Parteien zustande gekommen. Die Beratungspflicht des Zeugen Sch1 entstand bereits durch die entsprechende Frage der Kläger, ob die Ablösung auch des zweiten Darlehens sinnvoll sei, und den darauf vom Zeugen Sch1 erteilten Rat, dass dies wegen des günstigen Bausparzinses nicht ratsam sei.“

 

Konkrete Beratungspflichten

Nimmt man also einen Beratungsvertrag mit der Bank an, so stellt sich natürlich die Frage: Welche Beratung schuldet die Bank eigentlich?

 

Auch diese Frage orientiert sich am Einzelfall. Letztlich wird es darauf ankommen, was vom Bankkunden zum Gegenstand des Beratungsvertrages gemacht wird.

 

Vereinfacht ausgedrückt: Der Bankkunde bestimmt durch seine Fragen an die Bank die Reichweite des Beratungsvertrages. Der Bankkunde hat es also in der Hand, die Bank in eine Beraterfunktion zu bringen.

 

Der Umfang der Beratungspflichten bestimmt sich dann nicht nur an den konkreten Fragen des Bankkunden, sondern auch an seinem Erfahrungshorizont. Sehr weitreichende Beratungspflichten dürften die Bank treffen, die einen erkennbar unerfahrenen Bankkunden vor sich hat, der viele Fragen stellt.

 

Es wird sogar vertreten, dass die Bank ungefragt aufklären müsse. Dies wurde beispielsweise beim Abschluss eines Bausparvertrages bejaht. 

 

Beratungspflicht: Finanzielle Belastung

Dieser Bausparvertrag führte zu einer nicht tragbaren monatlichen Belastung für den Kläger. Das OLG Celle hat die Bausparkasse zu Schadensersatz verpflichtet, da sie den Kunden nicht vom Abschluss des Vertrages abgeraten hat.

 

Siehe hierzu das OLG Celle, Urteil vom 04.10.1989, Az.: 3 U 298/88:

 

„Führt eine Bausparkasse eine Finanzierungsberatung durch, so hat sie den Kunden vollständig und richtig zu beraten (OLG Düsseldorf, WM 1986). Sie darf keine Tatsachen verschweigen, über die der Kunde nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten kann. Über Umstände, die zur Vereitelung des vom Kunden mit der Finanzierung angestrebten Zweckes geeignet und deshalb für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sein könnten, hat sie von sich aus aufzuklären (Senat, NJW-RR 1987). Darüber hinaus muß die Bausparkasse den Finanzierungsbedarf des Kunden gewissenhaft prüfen und Finanzierungslücken in ihrem Konzept vermeiden. Ebenso wichtig ist es aber auch, daß sie dem Kunden nur zu einer solchen Finanzierung rät, die dieser unter Berücksichtigung seiner Einkommensverhältnisse sowohl kurzfristig als auch langfristig bedienen kann (Senat, NJW-RR 1987)). Ist das nicht gewährleistet, so muß sie von der Finanzierung abraten und diese gegebenenfalls auch ablehnen.“

 

Beratungspflicht: Finanzierungsobjekt

Immer wieder wird diskutiert, ob die Bank Aufklärungspflichten in Bezug auf das zu finanzierende Objekt treffen. Grundsätzlich gilt, dass die Bank über eine mögliche Unangemessenheit des Kaufpreises nicht aufzuklären braucht. Dieser Grundsatz wurde allerdings schon bei den „Schrottimmobilien“ durchbrochen, wenn die Bank mit dem Verkäufer der Immobilie zusammenarbeitet.

 

Das OLG Dresden hat eine dahingehende Beratungspflicht der Bank bejaht, wenn eine Vollfinanzierung vorliegt. Bei einer Vollfinanzierung könne der Bankkunde davon ausgehen, dass die Bank den vereinbarten Kaufpreis für angemessen hält.

 

Siehe hierzu das OLG Dresden, Urteil vom 28.06.2012, Az.: 9 U 1758/11:

 

„Maßgeblich zu berücksichtigen ist aber, dass der Kläger den Kaufpreis vollfinanziert hat. Die Beklagte hat es damit aus der Sicht des Klägers und für sie erkennbar übernommen, dass die Darlehenssumme und der ihr in der Höhe entsprechende Kaufpreis in einem Äquivalenzverhältnis stehen. Das Absehen von einem bankenüblichen Abschlag auf den durch den Kaufpreis ausgelösten Finanzierungsbedarf in einer Größenordnung, die bei nicht weniger als 20% liegt, darf der Kunde als Beleg dafür werten, dass die regelmäßig auf Sicherheit bedachte Bank die Einschätzung des Kaufpreises als angemessen teilt. Das zieht dann aber auch die Verpflichtung der Bank und hier der Beklagten nach sich, die Angemessenheit vor Kreditierung eigenverantwortlich zu prüfen.“

 

Die Bank soll in einer solchen Konstellation nicht nur ihr überlegenes Wissen offenbaren, sie soll sogar zu eigenen Nachforschungen verpflichtet sein.

 

Siehe hierzu das OLG Dresden, Urteil vom 28.06.2012, Az.: 9 U 1758/11:

 

„Vielmehr war die Beklagte gehalten, eine ernsthafte Prüfung des Wertes der Immobilie vorzunehmen und dies nicht nur aus ihrem eigenen Interesse und im Interesse des Bankensystems. Eine solche ernsthafte Prüfung ist nicht erfolgt.“


Beratungspflicht: Alternative Produkte

In der Regel kann der Wunsch des Bankkunden durch verschiedene Produkte bedient werden.

 

Fraglich ist also, ob die Bank hierüber aufklären und diese dem Kunden vorstellen muss.

 

Eine derartige Beratungspflicht wird bei hauseigenen Alternativprodukten bejaht. Die Bank muss also darüber aufklären, dass sich das Projekt mit Produkt B besser finanzieren lässt als mit Produkt A.

 

Über Produkte der Konkurrenz muss die Bank nicht aufklären. Hiervon gibt es allerdings zwei wichtige Ausnahmen:

 

Die Bank muss dann über Konkurrenzprodukte aufklären, wenn sie ausdrücklich mit einer bankunabhängigen Beratung wirbt.

 

Sie muss weiterhin über öffentliche Förderprogramm aufklären (KfW-Kredite, Wohn-Riester etc.).

 

Fazit

Der Bereich der Kreditberatung bzw. der Finanzierungsberatung ist ein Rechtsgebiet, das sich in der Entwicklung befindet. Den Banken wird vielerorts nicht bewusst sein, dass sie eine entsprechende Beratung gegenüber dem Kunden schulden.

 

Daher dürfte der häufigste Fall eine „Nichtberatung“  und keine vorsätzliche Falschberatung sein, was jedoch im Ergebnis für den Kunden dasselbe bedeutet:

 

Der Bankkunde hat letztlich eine Finanzierung abgeschlossen, die für ihn aus unterschiedlichen Gründen nicht optimal ist. Hierfür hätte die Bank, die insofern überlegenes Wissen hat, den Bankkunden in der Regel bewahren können.

 

Eine richtig verstandene Kredit- bzw. Finanzierungsberatung wird in einigen Fällen dazu führen, dass die Bank nicht das für sie lukrativste Produkt empfehlen darf. Da dies die Gewinnaussichten der Bank letztlich schmälert, dürfte die Bank generell kein großes Interesse daran haben, neben der Bereitstellung der Finanzierung auch noch eine entsprechende Beratung für den Kunden zu leisten.

 

Der Bankkunde hat es jedoch größtenteils selbst in der Hand, seinen Beratungsbedarf gegenüber der Bank zu bestimmen. Er kann letztendlich durch sein Verhalten dafür sorgen, dass ein entsprechender Beratungsvertrag zu Stande kommt.

 

Hierdurch hat er - sofern sich die Finanzierung später als ungünstig/unpassend herausstellt – bessere Karten, seinen Schaden von der Bank ersetzt zu verlangen.