Der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB: Probleme in der Praxis


Der Versicherungsvertreter hat bei Beendigung seiner Tätigkeit einen Ausgleichsanspruch.

 

Dieser ist in § 89b HGB geregelt. Diese Vorschrift regelt, dass der Versicherungsvertreter einen Ausgleich für die ihm in Zukunft entgehenden Provisionen erhält. Von diesem Ausgleichsanspruch sind sowohl reine Vermittlungsprovisionen als auch Bestandsprovisionen umfasst.

 

Problem Nr. 1:   Ausgleichsanspruch wird nicht anerkannt

Insbesondere wenn der Versicherungsvertreter als Untervertreter für eine Agentur oder Vermittlungsgesellschaft tätig ist, wird von dieser oft argumentiert, § 89b HGB sei gar nicht anwendbar.


Der Gesetzgeber hatte bei Abfassung der Vorschrift zwar die klassische Konstellation vor Augen, d.h. Versicherungsvertreter vertritt als Alleinvertreter einen Versicherer. Das Gesetz trägt jedoch auch anderen Organisationsformen, die sich im Wirtschaftsleben durchgesetzt haben, Rechnung. So ist in § 59 Abs. 2 VVG festgelegt, dass ein Versicherungsvertreter sowohl von einem Versicherer als auch von einem anderen Versicherungsvertreter betraut sein darf.


Die sogenannte Betrauung ist dabei ein Abgrenzungskriterium zum angestellten Versicherungsvertreter als auch zum Versicherungsmakler. Die Betreuung meint dabei eine vertraglich erteilte Geschäftsbesorgungsmacht.


Man kann dies auch so zusammenfassen: Versicherungsvertreter ist eine Person, die mit Wissen und Wollen des Versicherers/Versicherungsvertreters für diese/diesen vermittelt.


In Abgrenzung zum angestellten Versicherungsvertreter handelt der Versicherungsvertreter auf eigene Rechnung und selbstständig: Ein angestellter Versicherungsvertreter handelt demgegenüber nach Weisung der Versicherung/des Versicherungsvertreters. Die Unterscheidung hat weitreichende Konsequenzen. Angestellte Versicherungsvertreter unterfallen grundsätzlich dem Arbeitsrecht, selbstständige Versicherungsvertreter unterfallen dem Handelsvertreterrecht.


Der Versicherungsvertreter ist weiterhin zum Versicherungsmakler abzugrenzen. Die Abgrenzung erfolgt danach, von wem der Auftrag erteilt wurde: Erteilt der Versicherungsnehmer selbst eine entsprechende Vollmacht, so handelt es sich um einen Versicherungsmakler.


Bestehen hingegen vertragliche Bindungen zum Versicherer bzw. zu einem anderen Versicherungsvertreter, so handelt es sich um einen Versicherungsvertreter. Der Oberbegriff für beide Tätigkeitsformen ist der Begriff des Versicherungsvermittlers: Versicherungsvermittler sind daher entweder als Makler oder als Vertreter tätig.


Problem Nr. 2 :  Höhe des Ausgleichsanspruchs

Häufiger Streitpunkt ist auch die genaue Höhe des Ausgleichsanspruchs. Das Gesetz selber gibt hierfür nur äußerst grobe Anhaltspunkte. In der Praxis haben sich die Grundsätze der Versicherungswirtschaft durchgesetzt. Diese legen für verschiedene Vertragstypen (Krankenversicherung, Lebensversicherung etc.) genaue Berechnungsmodelle fest.


Weiteres Problem ist, dass die Höhe des Ausgleichsanspruchs oft überschätzt wird.


Der Ausgleichsanspruch soll als Teil der Altersvorsorge des ausgeschiedenen Versicherungsvertreters dienen. Dieser Zielsetzung wird der Ausgleichsanspruch jedoch meistens nicht gerecht. Hintergrund ist, dass viele Versicherer als auch Vermittlungsgesellschaften/Agenturen bei der Gestaltung des Vertretervertrages darauf achten, dass der Ausgleichsanspruch möglichst niedrig ausfällt.


Sehr beliebt sind zum Beispiel freiwillige Gratifikationen/Bonusleistungen, die für die Erreichung bestimmter Umsatzzahlen gezahlt werden. Da es sich nicht um reine Vermittlungsprovisionen handelt, fallen diese aus der Berechnung des Ausgleichsanspruchs heraus.


Im Ergebnis sollte die Altersvorsorge des Versicherungsvertreters nicht nur auf dem Baustein Ausgleichsanspruch beruhen. Andererseits sollte der Versicherungsvertreter beim Ausscheiden auch auf seinen Ausgleichsanspruch bestehen. Hier zahlt sich Hartnäckigkeit aus.