Die Klagen liegen schon in der Schublade

 

Die sich abzeichnende Impfpflicht, die voraussichtlich bald als förmliches Gesetz verkündet und damit wirksam wird, ist in aller Munde und wird heiß diskutiert.

 

Impfpflicht oder nur Nachweispflicht?

Die Tragweite des Gesetzes ist nicht unbedingt allen bekannt. So wird auch in der Presse nicht immer trennscharf formuliert. Dies gilt im Übrigen auch für die Frage, ob ein Gegner der Impfpflicht immer auch ein Gegner des Impfens an sich ist. Bisweilen wird so getan, als wenn dies zwangsläufig deckungsgleich wäre. Dem ist aber nicht so. Man kann aus guten Gründen gegen die Impfpflicht sein, trotzdem aber das Impfen – allgemein oder teilweise - befürworten.

 

Zunächst ist festzuhalten, dass das Gesetz keine unmittelbare Impfpflicht einführt. Hiermit ist eine Pflicht gemeint, die notfalls im Wege des körperlichen Zwangs durchgesetzt werden würde.

Eine solche Pflicht sieht das Gesetz nicht vor.

 

Vielmehr werden insbesondere Eltern verpflichtet, einen Nachweis über den Impfschutz vorzulegen.

 

Diesen Nachweis können die Eltern entweder erbringen, indem sie ihr Kind impfen lassen oder sich bestätigen lassen, dass bereits ein Immunschutz gegen Masern besteht oder drittens, dass eine Impfung gegen Masern aus medizinischen Gründen derzeit ausgeschlossen ist.

 

Alle Eltern betroffen

Diesen Nachweis müssen Eltern erbringen, deren Kind in eine Betreuungseinrichtung oder Schule geht und damit im Prinzip alle Eltern.

 

Wird ein solcher Nachweis nicht erbracht,  sieht das Gesetz ein entsprechendes Sanktionsregime vor. Dies reicht von der Ladung zum Beratungsgespräch beim Gesundheitsamt, über die Verhängung eines Bußgeldes bis zum Ausschluss des Kindes von der Betreuungseinrichtung.

 

Der Ausschluss von der Schule ist beim Schulkind nicht vorgesehen, da insoweit die allgemeine Schulpflicht tangiert wäre.

 

Keine bloße Nachweispflicht

Hier jedoch von einer bloßen Nachweispflicht zu sprechen, trifft den Charakter des Gesetzes ebenso wenig. Von einer bloßen Nachweispflicht wird in der Regel gesprochen, um die Eingriffe in die Grundrechte der Eltern und des Kindes weniger dramatisch erscheinen zu lassen.

 

Dabei wird so getan, als wenn es nur darum ginge, einen entsprechenden Beleg vorzulegen. Die Nichtvorlage des Beleges führt jedoch letztlich zu drastischen Konsequenzen für das Kind (und für die Eltern), da es aus der Betreuungseinrichtung ausgeschlossen werden kann.

 

Diese Konsequenz ist natürlich auch den Eltern bewusst und dies ist letztlich auch das Ziel des Gesetzgebers: Den Eltern werden die möglichen Konsequenzen vor Augen geführt und so sollen sie „bewegt“ werden, eine Impfung durchzuführen.

 

Der staatliche Zwang wirkt also nicht direkt auf den Körper des Kindes ein in dem Sinne, dass ein Amtsarzt die Impfung nach staatlicher Weisung durchführt.

 

Eingriff in Grundrechte

Allerdings ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes anerkannt, dass ein Eingriff in Grundrechte auch durch mittelbaren Zwang erfolgen kann.

 

In vielen Fällen ist dieser Zwang sogar effektiver. Auch ein mittelbarer Eingriff stellt einen Eingriff in Grundrechte dar.

 

Nicht überzeugend ist in diesem Zusammenhang die Argumentation, man wolle nur die übrigen Kinder schützen und respektiere die individuelle Impfentscheidung. Dann müsste man konsequenterweise gleich das nicht geimpfte Kind von der Betreuungseinrichtung verweisen. Das Zwangsmittel Bußgeld passt nicht zu dieser Argumentation, denn es sanktioniert die Eltern des nicht geimpften Kindes finanziell, ohne jedoch den Schutz der übrigen Kinder zu verbessern.

 

Individuelle Impfentscheidung: Ein Auslaufmodell?

Hieraus wird die eigentliche Stoßrichtung des Gesetzes deutlich:

 

Das Recht auf eine individuelle Impfentscheidung besteht in Teilbereichen nicht mehr. Daher ist es im Ergebnis treffender von einer Impfpflicht zu sprechen. Zur Durchsetzung bedient sich der Staat eines differenzierten Sanktionsregimes, weshalb der zwanghafte Charakter des Gesetzes für manche nicht so offensichtlich ist.

 

In der Gesetzesbegründung wird auf die auftretenden Masernfälle hingewiesen. In diesem Zusammenhang von einer Epidemie zu sprechen, wäre jedoch fernliegend. Letztlich sind die auftretenden Fallzahlen in Deutschland auch nach Meinung vieler Mediziner noch kein Grund, hierauf mit einer Impfpflicht zu reagieren.

 

Man darf vor diesem Hintergrund gespannt sein, ob sich der Gesetzgeber auch bei anderen Infektionskrankheiten für eine Impfpflicht entscheidet. Immerhin wurde mit dem aktuellen Gesetz bereits eine De-Facto-Impfpflicht für Masern, Mumps und Röteln (sowie Windpocken) eingeführt (aktueller Stand). Derzeit ist der Impfstoff gegen Masern nur in dieser Kombination (MMR/MMRV) erhältlich.

 

Gesetzgeberische Maßnahmen, die Pharmaindustrie dazu zu verpflichten, den Einzelimpfstoff anzubieten, sind nicht bekannt.

 

Die Entscheidung, in welcher Kombination der Impfstoff gegen Masern in Deutschland angeboten wird, trifft letzten Endes die Pharmaindustrie. Sollte sie sich entscheiden, den Masernimpfstoff in einer anderen Kombination anbieten zu wollen, würde dies an der Impfpflicht nichts ändern.

 

Damit wird das Recht auf individuelle Impfentscheidung nicht nur von staatlicher Seite eingeschränkt, der Staat überträgt einen Teil dieser Entscheidungskompetenz auf die Pharmaindustrie.

 

Verfassungsbeschwerden vorprogrammiert

Vor diesem Hintergrund sind Verfassungsbeschwerden von Eltern vorprogrammiert. Die ersten eigentlichen Sanktionen seitens der Behörden werden wohl noch einige Monate auf sich warten lassen.

 

Sollte das Gesetz jedoch wie geplant in Kraft treten, dürfte eine Verfassungsbeschwerde auch dann schon zulässig sein. Ähnlich wie beim Strafgesetz ist es den Eltern nicht zuzumuten, erst gegen das Gesetz mit entsprechender Sanktionierung verstoßen zu müssen, um dann die Gerichte anrufen zu können.

 

Wer sich eine rechtliche Beratung zur Impfpflicht wünscht, kann sich gerne an die Rechtsanwaltskanzlei Robert Nebel, M. A., wenden. 

 

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